Überhöhte Heizkosten! Kann man sich wehren?
Darmstädter Echo vom 12.04.2011
Die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2009 war eine böse Überraschung: 1900 Euro Heizkosten für eine 2-Zimmer-Wohnungmit 54m² Wohnfläche! Der Mieter der Darmstädter Innenstadtwohnung staunte und rang nach Fassung. Selbst bei einem hoch gegriffenen Preis von 0,70 Euro pro Liter Heizöl würde das einem Verbrauch von 50 L Heizölpro m² und Abrechnungsjahr entsprechen. Dieser Verbrauch liegt um das 3- bis 4-fache über den in unserer Region üblichen Werten.
Einschlägige Betriebskostenspiegel beziffern durchschnittliche Heizkosten in Deutschland auf 0,77 Euro bis 1,50 Euro pro m² und Monat je nach klimatischen Verhältnissen. Geht man vom relativ milden südhessischen Klima aus, ist ein Wert von 1 Euro je m² Wohnfläche und Monat angemessen. Auf dieWohnung des erschütterten Mieters hätten also schlimmstenfalls knapp 700 Euro Heizkosten, zusammenmit den Kosten der zentralen Warmwasserversorgung also allenfalls 900 Euro entfallen können. Der Mieter machte seinem – durchaus gutgläubigem – Vermieter gegenüber geltend, die Heizkostenabrechnung der mit der Erstellung der Jahresabrechnung beauftragten Firma sei nicht plausibel. Tatsächlich räumte diese ein, ein Messgerät sei defekt und nicht richtig abgelesen worden. Die Heizkostenabrechnung wurde um knapp 500 Euro reduziert. Auch dieses Ergebnis ist unbefriedigend, weil auch die ermäßigte Forderung einer Plausibilitätskontrolle nicht standhält. Der Mieter sieht weiteren Korrekturen hoffnungsvoll entgegen und verweigert die geforderte Nachzahlung.
Damit steht er nicht allein:
Das Amtsgericht Lüdenscheid hat durch Urteil vom 7. September 2010 (Aktenzeichen 95 C 305/09, veröffentlicht in Wohnungswirtschaft und Mietrecht Jahrgang 2011 Seite 161) in dem fast gleich gelagerten Fall einer 57 m² großen Wohnung mit angeblichen Heizkosten von 2053,37 Euro die Klage des Vermieters abgewiesen und dies folgendermaßen begründet: „Es steht nicht fest, dass und in welcher Höhe die beklagte Mieterin verpflichtet ist, sich an den Heizkosten zu beteiligen. Der Vermieter kann auf den Mieter nur solche Betriebskosten umlegen, die den Mietern zuzurechnen sind. Für eine Zurechnung genügt es in der Regel, dass der Vermieter den Verbrauch anhand der Ablesewerte geeichter Messgeräte nachweist. Das gilt jedoch dann nicht, wenn der sich daraus ergebende Verbrauch derart hoch ist, dass er nicht plausibel ist. Dann muss der Vermieter darlegen und beweisen, dass der Verbrauch dennoch vom Mieter zu vertreten ist und insbesondere eine Ursache aus seinem – des Vermieters – Verantwortungsbereich ausscheidet. Der sich aus den Messungen der Firma Techem ergebende Verbrauch der beklagten Mieterin ist jenseits jeder Plausibilität. Auf der Grundlage der von der Klägerin behaupteten Ablesewerte entfallen auf die Wohnung der Beklagten für den Zeitraum 28. Januar bis 31. Dezember 2008 Heizkosten in Höhe von 2013,11 Euro. Das sind selbst dann – wenn man die Tatsache vernachlässigt, dass die Ablesetermine in der Wohnung der Beklagten nur etwa 10 Monate auseinander lagen – bei einer Wohnungsgröße von 57 m² über 2,94 Euro pro m² undMonat. Ein solcher Verbrauch liegt weit oberhalb des durchschnittlichen Heizkostenverbrauchs. Dabei kommt es auf die Aussagekraft des Heizkostenspiegels des Deutschen Mieterbundes nicht an. Wo genau die Toleranzgrenze zu ziehen ist, mag dahinstehen. Jedenfalls ist sie hier überschritten.“
Vermieter und Mieter sind daher beide gut beraten, die jetzt fälligen Heizkostenabrechnungen für das Jahr 2010 nicht nur auf ihre rein rechnerische Nachvollziehbarkeit zu überprüfen, sondern auch zu fragen, ob das Ergebnis – also die auf die Wohnung entfallenden, anteilig errechneten Heizkosten plausibel ist. Ist dies nicht der Fall, sollte der Vermieter die Abrechnungsfirma auffordern, die Heizkosten richtig und plausibel zu ermitteln. Dafür bezahlt er sie schließlich auch.
Der Mieter sollte demVermieter gegenüber auf Korrektur bestehen und bis dahin die geforderte Nachzahlung ganz oder zum Teil verweigern. Schließlich gilt auch hier wie so oft: Der rechtzeitige Gang zu einem mit dem Mietrecht vertrauten Anwalt kann sich durchaus lohnen.
Rechtsanwalt Ulrich Wellmann, Wellmann & Kollegen, Darmstadt