Kündigung während der Probezeit
Darmstädter Echo Sonderbeilage „Ihr Recht Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater" vom 23.06.2017
Arbeitnehmern kann nach neuem BAG-Urteil eine mehr als zweiwöchige Kündigungsfrist zustehen
Sieht der Arbeitsvertrag eine Probezeit von längstens sechs Monaten vor, kann das Arbeitsverhältnis normalerweise ohne weitere Vereinbarung von beiden Seiten mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Ist jedoch in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag anderweitig eine längere Kündigungsfrist festgelegt, ohne unmissverständlich deutlich zu machen, dass diese längere Frist erst nach dem Ende der Probezeit gelten soll, ist dies vom Arbeitnehmer nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23. März 2017 - 6 AZR 705/15 - regelmäßig dahin zu verstehen, dass der Arbeitgeber schon während der Probezeit nur mit der vereinbarten längeren Frist kündigen kann.
Der schriftliche Arbeitsvertrag des Klägers, den sein Arbeitgeber vorformuliert hatte, verwies auf einen Tarifvertrag, welcher für die Probezeit, wie üblich, eine kurze Kündigungsfrist vorsah. Unter der Überschrift „Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses“ war im Arbeitsvertrag selbst lediglich geregelt, dass die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit gelten. In einer weiteren Regelung des Arbeitsvertrags, die mit „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ überschrieben war, war eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende festgelegt. Ein Hinweis darauf, dass diese sechswöchige Kündigungsfrist erst nach Ablauf der Probezeit gelten solle, fehlte hier allerdings. Der Kläger erhielt eine Kündigung während der Probezeit. Er machte geltend, dass das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf der im Arbeitsvertrag vereinbarten Frist von sechs Wochen zum Monatsende geendet habe. Aus dem Vertrag sei nicht ausdrücklich ersichtlich, dass innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses eine kürzere Kündigungsfrist gelten solle.
Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer recht. Die Bestimmungen des vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrags seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher, nicht rechtskundiger Arbeitnehmer versteht. Aus Sicht eines solchen Arbeitnehmers lässt nach Meinung des BAG die Vertragsgestaltung nicht klar erkennen, dass während der Probezeit eine kürzere Kündigunsfrist gelten soll. Nach dem Wortlaut und der Systematik des Vertrags sei vielmehr eine sechswöchige Kündigungsfrist maßgeblich. Die sechswöchige Frist gelte daher auch für Kündigungen während der Probezeit. Dem Arbeitnehmer stehen im Ergebnis grundsätzlich Gehaltsansprüche für weitere vier Wochen zu.
Auch im Falle einer Kündigung während der Probezeit kann es sinnvoll sein, die bestehenden Ansprüche anwaltlich prüfen zu lassen.
Rechtsanwalt Christian P. Kuhn
Partner der Kanzlei Wellmann & Kollegen, Darmstadt