Das altbewährte Sparbuch – krisenfest?

Darmstädter Echo vom 24.11.2009 – Haben Sie noch ein altes Sparbuch in der Schublade? Eines, an das Sie nicht mehr gedacht haben? Haben Sie womöglich ein altes Sparbuch geerbt oder vor vielen Jahren ein Sparbuch angelegt, um eine Absicherung im Alter zu haben?

Dann könnte dieser Artikel Anlass sein, das Sparbuch bei Gelegenheit einmal bei Ihrer Bank vorzulegen, um den aktuellen Saldo zu erfragen und das Sparbuch aktualisieren zu lassen. Hoffentlich erleben Sie dabei keine bösen Überraschungen. Andernfalls ist der Weg zum Anwalt auf jeden Fall lohnend.

Die Gerichte haben sich nicht selten mit sogenannten „Altsparbuchfällen“ zu befassen. Fälle, bei denen der in einem alten Sparbuch ausgewiesene Guthabenbetrag gravierend von dem der bankinternen EDV- Systeme abweicht. Meist stellt sich in diesen Fällen die Bank auf den Standpunkt, das Guthaben sei schon vor vielen Jahren – bereits vor Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren – ausgezahlt worden. Die Frage, die sich in solchen Fällen stellt, ist: Wer muss was – und vor allem mit welchen Mitteln – beweisen?

Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt ist eine Bank auch noch mehr als 30 Jahre nach der letzten Kontobewegung verpflichtet, das ausgewiesene Guthaben und die Zinsen auszuzahlen. Das Oberlandesgericht Celle (Urteil vom 18. 6. 2008, 3 U 39/08) hat im Jahre 2008 entschieden, dass der im Sparbuch vermerkte Guthabenbetrag an den Kunden auszuzahlen ist. Dies sei unabänderlich und gelte auch dann noch, wenn das Sparbuch sehr alt ist und die letzten Transaktionen Jahrzehnte zurückliegen. Den Beweis des Gegenteils, sprich eine Auszahlung ohne Eintrag im Sparbuch, kann die Bank nicht durch interne Bankunterlagen erbringen. Die Auszahlung muss vielmehr im Sparbuch selbst vermerkt sein. Diese Entscheidungen verdienen vollste Zustimmung, da Verfügungen über den Einlagebetrag in der Regel ohne Vorlage des Sparbuches durch den Sparbuchinhaber nicht möglich sind. Das Sparbuch als sog. „hinkendes Inhaberpapier“ bietet die Gewähr der Richtigkeit. Es enthält alle Gutschriften und Belastungen, insbesondere etwaige Auszahlungen und jeweils den aktuellen Kontostand. Die Bank hat es selbst in der Hand, bei Auszahlungen auf die Vorlage des Sparkontos zu bestehen. Sofern sie Ausnahmen zulässt, hat sie das Risiko späterer Beweisprobleme selbst zu tragen. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Bankkunden, Unterlagen und sonstige Beweismittel für die Richtigkeit der Sparbucheintragung bereitzuhalten. Werden Auszahlungen von einem Sparbuch ohne dessen Vorlage vorgenommen, obliegt es ausschließlich der Bank, diese Zahlungsvorgänge beweiskräftig zu dokumentieren. Auch der Bundesgerichtshof ist zu dem zutreffenden Ergebnis gekommen, dass Guthabeneinträge in Sparbüchern ein wesentliches Indiz für den Bestand der ausgewiesenen Darlehensansprüche seien. Den Banken sei anzuraten, eine Auszahlung nur bei gleichzeitiger Dokumentation im Sparbuch oder bei Quittungserteilung vorzunehmen.

Es gilt daher der Grundsatz, dass Auszahlungen im Sparbuch stehen müssen, sonst gibt es sie nicht! Im Rechtsverkehr liefert ein Sparbuch grundsätzlich den vollen Beweis für das Bestehen eines ausgewiesenen Guthabens. Der Bankkunde muss darauf vertrauen können, dass ein im Sparbuch ausgewiesenes Guthaben auch von der Bank anerkannt und ausgezahlt wird.

Im Ergebnis gilt also weiterhin, dass das Sparbuch durchaus als krisenfest und sicher bezeichnet werden kann und der Bankkunde bei sorgfältiger und sicherer Aufbewahrung des Büchleins auch nach Jahren den ausgewiesenen Betrag von der Bank fordern kann. Dies soll selbstverständlich nicht heißen, dass es nicht doch ratsam ist, das Sparbuch in regelmäßigen Abständen dem Kreditinstitut vorzulegen, um es aktualisieren zu lassen. Schon alleine, um Diskussionen über das Thema Verjährung und die dargestellten Beweislastprobleme zu vermeiden.

Auch sollten Bankkunden unbedingt darauf achten, die Eintragungen im Sparbuch sofort, d. h. noch am Bankschalter, auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Nicht bemerkte Eintragungsfehler führen selbstverständlich umgekehrt gleichfalls zu den gerade dargestellten Beweisproblemen, diesmal zu Ihren Lasten!

Carsten E. Jakob Rechtsanwalt, Wellmann & Kollegen, Rechtsanwälte, Darmstadt

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